Was ist eigentlich dieses autogene Training?
Autogenes Training ist ein häufig angewandtes und gerade in der Psychologe bekanntes Entspannungsverfahren. Das Training basiert auf Autosuggestionen - man versucht sich also selbst etwas vorzustellen oder oder sein Denken und Fühlen zu beeinflussen. Das geschieht beim autogenen Training etwa durch das innere Wiederholen der Sätze "Meine Arme sind schwer". Das Verfahren wurde vom Psychiater Johannes Heinrich Schulz entwickelt.WERBUNG
Autogenes Training, Yoga und Buddhismus
Eine häufig geäußerte Kritik am autogenen Training ist, dass die Methode ihre Wurzeln in der indischen Yogalehre oder anderen fernöstlichen Religionen hat, etwa im Buddhismus. Tatsächlich gibt es in diesen Religionen auch Methoden der Entspannung, etwa die Meditation. Der Zen-Buddhismus kennt verschiedene Übungen, um etwa Erleuchtung zu erlangen (was immer das ist), sich mit seiner Umgebung vereint zu erleben oder lange an nichts zu denken.Das Autogene Training sollte aber unabhängig von religiösen Ideen sein. Grundlage ist das Wirken der Vorstellungskraft. Wenn man sich beispielsweise vorstellt, man würde beherzt in eine saftige Zitrone beißen, dann läuft manchen tatsächlich das Wasser im Mund zusammen. Gedanken und Vorstellungen können also tatsächlich auch körperliche Veränderungen hervorrufen. Daran finde ich nichts Okkultes.
Neben den bekannten Übungen (Arme werden schwer usw.) im autogenen Training gibt es auch Übungen der Oberstufe, etwa dass man bestimmte Gefühle hervorholen will oder Gegenstände vor dem geistigen Auge erscheinen lassen will. Das können auch Fantasiereisen sein, beispielsweise dass man sich vorstellt, man würde auf den Meeresgrund reisen, eine Farbe vor sich sehen usw. Ebenso könnte man bestimmte Formeln mit hineinnehmen, etwa „Ich fühle mich gut“. Solche Techniken erinnern etwas an Meditation, aber sie haben ein anderes Ziel und keine religiöse Bedeutung. Es geht nicht darum, eine Erleuchtung zu suchen oder Götter anzubeten, sondern nur um Entspannung, Beruhigung, Herunterkommen, Aufmerksamkeit und das Erzeugen angenehmer Gefühle.
Man nutzt die eigene Vorstellungskraft
In manchen Quellen werden diese Techniken als Methoden beschrieben, um mit Geistern Kontakt aufzunehmen. Dem stimme ich persönlich nicht zu und diese Interpretation halte ich auch für falsch. Sich - in der Oberstufe des autogenen Trainings - Farben und Gegenstände innerlich vorzustellen hat nichts mit Okkultismus zu tun. Dass man sich innerlich Dinge vorstellt, ist aus meiner Sicht etwas vollkommen Alltägliches. Sie stellen sich etwa vor, was Sie abends machen und sehen sich in Gedanken bei einem leckeren Abendessen oder Sie stellen sich, wenn jemand eine lustige Begebenheit erzählt, vor, wie diese ausgesehen haben mag. In Gedanken (man könnte auch sagen vor dem inneren Auge) wird ein Bild erzeugt. In Wahrheit gibt es natürlich kein inneres Auge, sondern die Bilder entstehen im Gehirn. Meistens haben diese Vorstellungen aber eines gemeinsam - sie sind nicht sehr genau. Sie sehen also innerlich nur eine grobe Szene und schweifen schnell wieder ab. Im Zuge des autogenen Trainings übt man das Vorstellen häufiger und stellt sich konkrete Dinge vor. Je öfter man übt, desto besser klappt das.Keine Trance und keine Selbstvergötterung
Wer autogenes Training ausprobiert, wird merken, dass man da auch keinen andern Bewusstseinszustand erreicht. Man wird ruhiger und manche fühlen vielleicht tatsächlich die Schwere in den Armen und den Beinen, wenn sie die Schwere-Suggestion anwenden. Aber man ist nicht "weg", man ist nicht in einer anderen Ebene oder in Ekstase oder ähnliches. Man ist ruhiger und vielleicht fühlt es sich ein wenig so an, als würde man langsam einnicken. Man bekommt auch noch Dinge um sich herum mit und wenn man wöllte, könnte man auch jederzeit wieder aufstehen.Ein weiterer Kritikpunkt, von dem ich gelesen habe, ist die Selbstbezogenheit beim autogenen Training. es geht darum, sich selbst zu entspannen und, wenn man besondere Suggestionen ("Ich fühle mich gut" usw.) nutzt, sich selbst bei Problemen zu helfen. Ich habe erst nicht ganz verstanden, was daran schlimm sein soll. Es gibt wohl die Annahme, dass dadurch Menschen versuchen, Gott in sich selbst zu entdecken und dass die eigene Person dann den Platz Gottes einnehmen würde, was mit dem christlichen Glauben nicht in Einklang zu bringen wäre. Man würde sich selbst für göttlich halten und für vollkommen.
Mir erscheint das eine weit hergeholte Interpretation. Ja, man versucht sich beim autogenen Training selbst zu helfen, damit man ruhiger wird oder sich besser fühlt. Mit Vollkommenheit und "sich selbst für Gott halten" hat das aber wenig zu tun. Vollkommen wird man durch das autogene Training nicht und das ist auch nicht das Ansinnen des Verfahrens. Dass man versucht, sich damit selbst zu helfen, erachte ich nicht als verwerflich, denn mit zahllosen anderen Tätigkeiten im Alltag versuchen wir uns immer wieder selbst zu helfen. Jeder Heimwerker hilft sich selbst und Sie schalten ja auch Ihren Fernseher an und erwarten nicht, dass da eine Macht wirkt, die das Anschalten für Sie übernimmt.
Das ist nicht gleichbedeutend damit, dass jemand sich für Gott hält. Und warum sollte Gott dem Menschen nicht die Fähigkeit gegeben haben, kleine Probleme auch mal selbst zu lösen? Massive Ängste und Panikattacken bekommt man mit autogenem Training ohnehin nicht weg.
Autogenes Training macht nicht passiv
Das autogene Training schafft auch keinen Trancezustand, in welchem man passiv und kritikunfähig wird. Sie sind ja in Gedanken noch da, wie beschrieben – Sie sind nicht „weg“ (wo auch immer das „weg“ sein sollte). Und ich erlebe auch immer wieder bei meinen Patienten, dass diese nicht passiv und kritiklos sind. Das Abschalten fällt vielen schwer und gelingt auch oft nicht. Man wird also nicht ein einen Zustand der Sorgenfreiheit versetzt, sondern hat weiterhin Gedanken, die gerade nicht zum autogenen Training passen, kann aber vielleicht anders mit diesen umgehen.Man kann Menschen während des autogenen Trainings auch nicht alles Mögliche einreden. Das scheitert ja schon an der Grundstufe. Nur wenige spüren wirklich die Schwere in den Armen und Beinen, sondern fühlen sich einfach nur ruhiger. Wenn ich dann sagen würde: „Und nun verraten Sie mir Ihren PIN-Code und geben mir Ihre Bankkarte“ würde auch keiner meiner Patienten zu seiner Handtasche laufen und dies tun. Menschen, die beim Liegen oder Sitzen Schmerzen haben, spüren diese dennoch, deswegen ist es ja so wichtig, Teilnehmer beim autogenen Training so bequem wie möglich zu lagern. Wenn in der Gruppentherapie einer schnarcht, merken das die anderen oft und schauen dann belustigt oder müssen sich ein Lachen verkneifen. Das sieht alles nicht nach Trance und Kritiklosigkeit aus.